• Fachbeitrag

Compliance ist für die Führungsebene eine absolute Pflicht

Dr. Tobias Weimer hielt auf der Präsenzveranstaltung des BHUK e. V. einen Vortrag über Verantwortlichkeiten und (oft schwerwiegende) Rechtsfolgen für die Vorgesetzen und Führungskräfte. Worum geht es in dem Mannheimer Hygiene-Fall und welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen, um für die Zukunft gewappnet zu sein?

Krankenhauskeime & Hygienemängel – Verantwortlichkeiten und Rechtsfolgen

Das Landgericht Mannheim verurteilte den ehemaligen Geschäftsführer der Klinikum Mannheim GmbH, wegen vorsätzlichen Betreibens von Medizinprodukten entgegen § 14 S. 2 MPG (jetzt § 11 S. 1 MPDG n.F.) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung in Höhe von drei Jahren aus. Die zivilrechtliche Klage der Klinikum Mannheim GmbH auf Schadensersatz in Höhe von 15 Mio. € gegenüber seinem ehemaligen Geschäftsführer wurde zwischenzeitlich mit einem Vergleich beendet. 

Gegenstand des Strafverfahrens war der Aufbereitungsprozess der Operationsinstrumente in der hauseigenen damals so genannten ZSVA – Zentralen Sterilgutversorgungsabteilung, heute Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP). In dieser Abteilung wurden Mängel im Rahmen der Ermittlungen festgestellt, die zur Verurteilung führten. 

Dem Geschäftsführer wurde bei der Hauptverhandlung vorgeworfen, es nach den bereits im Februar 2007 durch das Regierungspräsidium als Fachaufsichtsbehörde erfolgten und danach durch externe Fachfirmen bestätigten Beanstandungen des Aufbereitungsprozesses in der Folge unterlassen zu haben, einen den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Aufbereitungsprozess einzuführen, obwohl der dringende Handlungsbedarf erkannt worden war. Dadurch sei die Gesundheit einer Vielzahl von Patienten gefährdet worden. Damit stand ein Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 MPG iVm § 14 S. 2 MPG (a.F.), jetzt § 92 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1a MPDG iVm § 11 S. 1 MPDG (Gefährdung einer Vielzahl von Personen) in einem besonders schweren Fall im Raum, der in der Altfassung lediglich mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren, inzwischen in der Neufassung von einem bis zu 10 Jahren bestraft werden kann. 

Das Landgericht sowie der BGH haben diesen Vorwurf als bestätigt angesehen und mit den zwei Jahren Freiheitsstrafe genau die Höchstgrenze ausgeschöpft, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Mit dieser Verurteilung wurde dem Geschäftsführer nun die Verantwortung für die Beanstandungen innerhalb des Aufbereitungsprozesses von Sterilgut zugeschrieben.       

Letztendlich geht es in diesem Fall um die straf- wie zivilrechtliche Verantwortung für im Vorfeld identifizierbare und damit vermeidbare Organisationsmängel im Unternehmen im Gegensatz zum bloßen Augenblicksversagen der patientennahen Entscheider am Patientenbett bzw. OP-Tisch. Auf Geschäftsführerebene besteht die Pflicht, eine eigene Compliance-Organisation einzurichten, die die Qualität und Komplexität der gesetzlichen Vorschriften berücksichtigt. Auf eine Ressortverantwortlichkeit eines Dritten darf und kann sich die Geschäftsführung eben nicht zurückziehen (vgl. Weimer (Hrsg.), Krankenhauskeime und Hygienemängel, Skandale vermeiden und in der Krise richtig handeln, 1. Auflage 2021). Dies gilt umso mehr, wenn die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten über die Missstände informieren und um Abhilfe gebeten haben.

Deshalb ist es den Geschäftsführungen nur zu empfehlen, ihre betrieblichen Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und ein funktionierendes Compliance-System innerbetrieblich zu etablieren, um die Sicherheit der Patienten, Mitarbeiter sowie die eigene zu gewährleisten. Dies wird auch aus § 3 MPBetreibV deutlich. Danach hat der Betreiber die ihm nach der MPBetreibV obliegenden Verpflichtungen wahrzunehmen, um ein sicheres und ordnungsgemäßes Anwenden von Medizinprodukten in seiner Gesundheitseinrichtung am Patienten zu gewährleisten. Dazu gehört eben auch die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm und steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten nach § 8 MPBetreibV. Den Anwendern der Medizinprodukte, also Ärzten und Pflegefachpersonen in den Kliniken, ist dabei ins Gedächtnis zu rufen, dass auch sie als Anwender die Funktionsfähigkeit prüfen und sich von dem ordnungsgemäßen Zustand des Medizinprodukts vor dem Anwenden überzeugen müssen. Weist das Sterilgut also Verkrustungen und sonstige Mängel auf, besteht auch für diese ein strafbewehrtes Anwendungsverbot nach § 11 S.1 MPDG. Auch sie können also in das Fadenkreuz gelangen.

Dr. jur. Tobias Weimer, M.A., Fachanwalt für Medizinrecht & Strafverteidiger, Compliance Officer (TÜV), Weimer I Bork – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Bochum