• Fachbeitrag

Der klare Appell: Hier muss ein anderes Bewusstsein entstehen!

Die Anforderungen an Hygiene in Gesundheitseinrichtungen sind hoch. Denn dort, wo Menschen miteinander leben, betreut werden, ist hygienische Sicherheit unverzichtbarer Alltags-Bestandteil. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Reha-Zentren unterliegen einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen. Für die tägliche Reinigung der Bereiche existieren klare Standards: Wer wann was womit und in welcher Reihenfolge reinigt, ist genau definiert. Doch für Einrichtungen der Behindertenhilfe gilt all das nur sehr eingeschränkt und genau darin liegt ein gefährliches Defizit.

Reinigung und Hygiene in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen

Einrichtungen, in denen Menschen mit geistiger, körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung leben, werden in den gängigen Empfehlungen zur Infektionsprävention nur am Rande erwähnt oder gar explizit ausgeklammert. Die Empfehlungen der KRINKO, als maßgeblicher Standard für Gesundheitsämter und Hygieneexperten, schließt Einrichtungen der Eingliederungshilfe in einer Schrift sogar explizit aus. Auch das Wohn- und Teilhabegesetz NRW sieht zwar die Beschäftigung einer ausgebildeten hauswirtschaftlichen Fachkraft vor, formuliert jedoch keinerlei konkrete Hygienestandards für Reinigungstätigkeiten. In der Praxis bedeutet das, es existiert kein konsistenter Rahmen, keine verpflichtenden Richtlinien und kein systematischer Qualitätsanspruch für den hygienischen Alltag in diesen Einrichtungen. Was im Krankenhaus und anderen Einrichtungen streng geregelt ist, wird hier oft sich selbst überlassen.

Aus der Praxis
Diese Lücke bleibt nicht ohne Folgen. In diesen Einrichtungen wird Reinigung oft nicht als strukturierter Hygienebeitrag verstanden, sondern reduziert auf sichtbare Sauberkeit. Statt fundierter Reinigung nach anerkannten Standards dominiert ein „Putzen nach Hausfrauenart“, eine Praxis, die weder effektiv noch gesundheitlich unbedenklich ist. Beobachtungen in der Praxis zeigen eine planlose Reinigung, ohne eine Sensibilisierung für die Reihenfolge der Arbeitsschritte, ohne Bewusstsein für Kreuzkontaminationen, ohne Reinigungstechnik und auch ohne Bewusstsein für den Eigenschutz. Aber auch im Umgang mit und der Ausstattung mit Arbeitsmaterialen zeigen sich ein fehlendes Bewusstsein und fehlende Schulungen. Unordentliche und verschmutzte Reinigungswagen und anderes Equipment sprechen nicht für professionelle Reinigung und oder ein richtiges Verantwortungsbewusstsein.
Auch behördliche Begehungen zeigen, dass allen Beteiligten eine klare Strukturvorgabe für die Bewertung und Einordnung der Reinigungsqualität fehlt. So gibt es Begehungsberichte, die lediglich aus dem Satz „Die Einrichtung befand sich in einem sehr ordentlichen und sauberen Zustand. Es wurden keine Mängel festgestellt“ bestehen, ohne Bewertungskriterien.
Studien zeigen, dass Mikroorganismen und Viren auf Oberflächen Tage bis Monate überleben können, je nach Material, Umgebung und organischen Rückständen. Reinigung hat die Aufgabe, solche Mikroorganismen und Viren gezielt zu entfernen – fachgerecht und wirksam. Dafür braucht es keine sterilen Bedingungen, aber verlässliche Standards. Diese fehlen in vielen Einrichtungen. Die Reinigung ist hier nicht nur eine unterstützende Dienstleistung, sondern ein integraler Bestandteil der Versorgung. Sie schützt vor vermeidbaren Krankheiten, sichert den Alltag der Bewohner sowie Beschäftigten und schafft Vertrauen in das System. Dennoch fehlt es vielerorts an fachlicher Unterstützung, an systematischer Schulung, an Kontrolle und nicht zuletzt an gesellschaftlicher Wahrnehmung dieses Problems.

Was in Zukunft geschehen muss
Die Zukunft der Reinigung hier muss anders aussehen. Sie braucht klare, verbindliche Hygienestandards, die auf die Besonderheiten dieser Einrichtungen zugeschnitten sind. Es genügt nicht, Krankenhausstandards zu übertragen – vielmehr braucht es eigene, praxistaugliche Konzepte, die realistisch umsetzbar sind und gleichzeitig die hygienische Sicherheit gewährleisten. Ebenso wichtig ist die Qualifizierung des Reinigungspersonals: Wer täglich mit Menschen in Betreuungssituationen arbeitet, braucht Fachwissen, Verantwortung und Rückhalt. Auch die Gesundheitsämter müssen besser vorbereitet sein auf die speziellen Bedingungen der Eingliederungshilfe. Noch wichtiger ist ein Bewusstseinswandel: Reinigung in diesen Einrichtungen darf nicht als Nebensache betrachtet werden, sondern muss als zentraler Teil des Betreuungs- und Schutzauftrags sein.
Hygiene ist kein Bonus, sie ist Voraussetzung. Wer Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung ernst nimmt, muss deren hygienische Versorgung ernst nehmen. Notwendig ist eine fundierte Hygienekultur, die schützt und Professionalität stärkt.

Text: Stefanie Veltkamp