- Fachbeitrag
Die Stellung der Hygiene ist weltweit sehr unterschiedlich
Ein Benchmark zwischen Deutschland und Nordamerika
Betrachtet man weltweit Märkte im Bereich Hygiene, einschließlich des Gesundheitssektors, so wird man schnell feststellen, dass diese sehr unterschiedlich sein können. Während einige einen starken Fokus auf die Infektionsprävention in Gesundheitseinrichtungen legen, herrscht in anderen Märkten eher eine Laissez-faire-Kultur, was häufig auf begrenzte Budgets und eine schwache Infrastruktur zurückzuführen ist.
Doch zu Beginn wollen wir uns erst einmal das allgemeine Marktumfeld anschauen und ein paar übergeordnete Trends- bzw. Entwicklungen näher beleuchten. Schaut man sich internationale Reinigungs- und Gesundheitsmärkte an so wird man schnell feststellen, dass die Corona-Pandemie in dem öffentlichen Wahrnehmung kaum noch eine Rolle spielt. Damit einhergehend hat die Aufmerksamkeit für Hygienethemen stark abgenommen. Die Nutzung von Hygieneprodukten, hier insbesondere Desinfektionsmittel, ist rückläufig und die Hygieneinfrastruktur (z.B. Spendersysteme) nicht selten in einem schlechten Zustand. Die Lerneffekte in der Bevölkerung sind begrenzt und Hygiene steht in vielen Ländern weit hinten in der politischen Agenda.
Doch was bedeutet das jetzt für Hersteller von Hygieneprodukten? Als erstes müssen sich diese mit den regionalen bzw. lokalen Gegebenheiten vertraut machen und ihre Produkte sowie Services konsequent auf diese ausrichten. In vielen Ländern gibt es z.B. große Unterschiede zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor. Ein Problem für Unternehmen in diesem Zusammenhang ist die sehr unterschiedliche Datenverfügbarkeit. Während es auf der einen Seite sehr transparente Märkte wie beispielsweise Australien gibt, findet man in anderen Ländern kauf Informationen zu Hygienestandards und lokalen Marktgegebenheiten.
Bevor wir uns jedoch näher mit Deutschland und Nordamerika beschäftigen, wollen wir uns einmal ein paar Beispiele von Ländern und deren marktspezifischen Unterschieden ansehen.
Unsere erste Station ist hierbei Australien. Das Land legt einen sehr starken Fokus auf Transparenz. Die Einhaltung der Händehygiene in Gesundheits-einrichtungen wird gemessen und veröffentlicht. Jeder kann sich vorab über den Hygienestandard einer bestimmten Einrichtung online informieren. Produkte und Preise bei öffentlichen Ausschreibungen können in allen Bundesstaaten eingesehen werden. Darüber hinaus ist Australien ein sehr guter Testmarkt für Europäische Hersteller, da das Qualitätsniveau hier eher hoch ist.
Unseren nächsten Stopp machen wir in Estland. Das Land ist sehr digital und hat damit begonnen in Gesundheitseinrichtungen Prozesse zu digitalisieren und das Personal, die Besucher und die Patienten in dieHygiene-Konzepte zu integrieren. Zudem ist das Land sehr gut geeignet um mit lokalen Partnern digitale Konzepte aufzubauen.
Ein anderer Markt ist UK. Der Fokus liegt hier eher auf Regulatorik. Verschiedene Institutionen wie der NHS oder das „National Institute for Health and Care Excellence“ kümmern sich um Präventionsthemen. Der Markt ist am ehesten mit dem US-Markt vergleichbar und aufgrund begrenzter Budgets stark unter Druck.
Nun wollen wir uns aber Deutschland und Nordamerika einmal genauer anschauen.
Deutschland ist der größte Gesundheitsmarkt in Europa. Hygiene ist wie in vielen anderen Ländern kein präsentes Thema mehr in den Medien oder auf der politischen Agenda. Die Verwendung von Hygieneprodukten ist stark zurückgegangen. Die Ausnahme sind kritische Bereiche in Gesundheitseinrichtungen. Hygienekonzepte sind nicht standardisiert, wobei Krankenhäuser die höchsten Anforderungen haben. Patienten und Besucher werden in den Hygienekonzepten kaum berücksichtigt. Auch bei den medizinischen Fachkräften gibt es Defizite bei der Kenntnis und Anwendung von Präventionsmaßnahmen. Rund 20.000 Patienten sterben jedes Jahr an den Folgen von Keimen in Krankenhäusern. Insgesamt besteht ein hohes Optimierungspotenzial, auch wenn der Markt in Bezug auf die Strukturen im internationalen Vergleich eher im oberen Mittelfeld liegt.
Der US-Gesundheitsmarkt ist viel größer als der deutsche Markt. Ausbildung und Training des Personals haben einen sehr hohen Stellenwert, wobei auch die persönliche Haftung der Beteiligten stark im Fokus steht. Im Gegensatz zu Deutschland sind Professional-Marken auch auf dem Consumer-Markt deutlich bekannter und im B2C-Segment der Handdesinfektionsmittel gibt es Lifestyle-Marken. Der Fokus in nicht kritischen Bereichen ist stark auf Markenprodukte gerichtet, die in der Regel als geschlossenes System funktionieren. Deshalb ist der Anbieterwechsel bei Produkten aufwendig.
Jährlich rund 722.000 Krankenhausinfektionen (HAIs), von denen ca. 75.000 tödlich verlaufen. Wie auch in Deutschland hat sich die Nutzung von Hygieneprodukten nach der Corona-Pandemie stark reduziert, die Infrastruktur generell hat sich aber verbessert und wir nachgefragt. Trotz starker Richtlinien sind Hygienemaßnahmen, ähnlich wie in Deutschland, nicht flächendeckend in Routinen übergegangen.
Ein großer Unterschied zwischen beiden Ländern ist die Wichtigkeit von Marken. Während in Deutschland Hygiene eher als technischer Prozess verstanden wird, bei dem darauf geachtet wird das Produkte bestimmte Normen erfüllen, hat in den USA die Produktmarke eine wesentlich höhere Bedeutung.
In den USA seht auch, anders als in Deutschland, die persönliche Haftung der Verantwortlichen viel stärker im Fokus. Die so genannte „Prozesskultur“ in den USA hat einen großen Einfluss auf die Einhaltung von Hygienestandards in Gesundheitseinrichtungen.
Weitere Unterschiede sind z.B. bei den eingesetzten Spendersystemen oder der Servicekultur zu sehen. Während in deutschen Gesundheitseinrichtungen eher mit offenen Systemen gearbeitet wird (Euroflasche), so werden in den USA primär geschlossene Systeme eingesetzt.
Michael Di Figlia – Managing Director und Head of
Cleaning Markets bei DTO Research
Das Unternehmen DTO Research analysiert weltweit Märkte im Bereich der professionellen Reinigung und Hygiene. Zusätzlich ist DTO Consulting einer der Mitbegründer der Healthy Workplaces (www.healthy-workplaces.com), einer Initiative die sich mit der gesundheitlichen Aufklärung und Prävention im betrieblichen
Kontext beschäftigt.