- Fachbeitrag
Ist das Versprühen gefährlicher als das Verschäumen?
Inhalative Exposition beim Versprühen und Verschäumen von Reinigungsmitteln
Die Untersuchung zur Aerosolexposition
Im Zentrum des Interesses der Untersuchungen stand die Gefährdung von Reinigungskräften durch Einatmen von gefährlichen Inhaltsstoffen bei Sprüh- und Schäumverfahren. Im Gegensatz zum Wischverfahren, bei dem lediglich Gase und Dämpfe flüchtiger Inhaltsstoffe, zum Beispiel Lösemittel, zur inhalativen Exposition beitragen, werden beim Sprühen und Schäumen auch Aerosole erzeugt. In den Tröpfchen dieser Aerosole liegen auch nichtflüchtige Bestandteile der Reinigungsmittel, wie Tenside, Alkalihydroxide oder viele Säuren, vor und tragen zur inhalativen Belastung der Beschäftigten bei.
Die Forschung umfasste Modellversuche im Technikumsmaßstab, bei denen zwei handelsübliche Reinigungsmittel und ein exemplarisch formuliertes Reinigungsmittel verwendet wurden. Analysen erfolgten auf Natriumhydroxid als Leitsubstanz, anhand eines unspezifischen Messverfahrens den gesamten Anteil der einatembaren Fraktion (E-Fraktion) sowie der alveolengängigen Fraktion (A-Fraktion) und teilweise 2-Aminoethanol. Die Probenahmen wurden sowohl im Atembereich der Person als auch stationär hinter der verarbeitenden Person durchgeführt (Abb. 1). Die Messstrategie war tätigkeitsbezogen, das heißt die Probenträger wurden nur während der Tätigkeit des Sprühens beziehungsweise Schäumens, der Einwirkzeit und dem Abspülen beaufschlagt.
Die Ergebnisse der Untersuchung
Die Ergebnisse (Abb. 2 und 3) zeigten unterschiedliche Expositionshöhen zwischen dem Schäum- und Sprühverfahren, aber insbesondere auch zwischen den verschiedenen Geräten und deren Einstellungen (Tab. 1). Unter den standardisierten Worst-Case-Bedingungen wurden maximale Expositionen für die E-Fraktion in Höhe von ca. 2 mg/m³ erhalten. Für die A-Fraktion wurden stets sehr geringe Expositionen in Höhe oder kleiner der Nachweisgrenze (etwa < 0,1mg/m³ bei stationärer und <0,4 mg/m³ bei personengetragener Probenahme) ermittelt. Für Natriumhydroxid lag die Exposition maximal bei etwa 1 mg/m³. Der Stoff 2-Aminoethanol als Repräsentant eines relativ schwerflüchtigen Stoffes war nur in etwa der Hälfte der Messungen Bestandteil des Produktes und zeigte Expositionen von maximal etwa 1 mg/m³.
Eine erwartete mehrfach erhöhte Exposition beim Sprühen im Vergleich zum Schäumen konnte nicht nachgewiesen werden. Letztlich wurde hier ein Faktor 2 abgeleitet, der jedoch nicht zu einer Art Vorhersage für Reinigungssituationen genutzt werden kann. Die Art und Einstellungen der Sprüh- beziehungsweise Schäumgeräte haben einen großen Einfluss auf die Expositionshöhe, so dass kein allgemeingültiger Ansatz für ein Verhältnis von Sprühen und Schäumen möglich scheint.
Die beim Sprühen und Schäumen erzeugten Partikel (Aerosoltröpfchen) können zwar eingeatmet werden, gelangen aber in der Regel nicht bis in die Lungenbläschen. Das zeigen die sehr niedrigen Messwerte für die A-Fraktion.
In Deutschland ist für Natriumhydroxid kein Arbeitsplatzgrenzwert festgelegt, so dass für die Gefährdungsbeurteilung ein anderer Bewertungsmaßstab herangezogen werden muss. Das können zum Beispiel der Grenzwert von 0,5 mg/m³ aus Polen und Litauen, der DNEL-Wert (Derived No-Effect Level) nach REACH-Verordnung von 1 mg/m³ oder der Grenzwert von 2 mg/m³ aus Österreich, Belgien, Frankreich oder den USA sein.
Würde ein Grenzwert von 2 mg/m³ zugrunde gelegt, ergäbe die Summenbewertung für Stoffgemische nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe „TRGS 402 Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition“, ohne Berücksichtigung des schwerflüchtigen Stoffes 2-Aminoethanol, eine Grenzwerteinhaltung. Mit dem DNEL-Wert von 1 mg/m³ würde sich dagegen ein Bewertungsindex von etwa 1,7 berechnen. Es läge also eine Grenzwertüberschreitung vor.
Verallgemeinernd deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass alle nichtflüchtigen Substanzen mit einem höheren Grenzwert als 2 mg/m³, unabhängig davon, ob sie in der A- oder E-Fraktion definiert sind, innerhalb der Betriebs- und Rezepturparameter dieser Untersuchungen sicher verarbeitet werden können – also ohne das Tragen von Atemschutz. Um die Ergebnisse aus den standardisierten Experimenten auf Reinigungsaufgaben in realen Reinigungsobjekten übertragen zu können, wäre es jedoch notwendig zu prüfen, ob die durchgeführte „Schaum- oder Sprühbehandlung mit konstantem Abstand zu einer senkrecht zur Anwendungsrichtung stehenden Wand“ auf Reinigungssituationen mit variablen Formen, unterschiedlichen Abständen, Einfallswinkeln und Reflexionen usw. angewendet werden kann.
Schutzmaßnahmen
Sollten in den versprühten beziehungsweise verschäumten Reinigungsmitteln flüchtige Bestandteile oder Stoffe mit niedrigen Grenzwerten (unter 2 mg/m³) enthalten sein, ist von einer Überschreitung des Grenzwertes auszugehen und während der Tätigkeiten ist Atemschutz zu tragen.
Um weitere Gefährdungen für Beschäftigte durch Gefahrstoffe beim Versprühen oder Verschäumen zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden, sind persönliche Schutzmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören bei Tätigkeiten mit solch aggressiven Produkten auf jeden Fall Augenschutz, flüssigkeitsdichte oder sprühdichte Schutzanzüge sowie geeignete Chemikalienschutzhandschuhe.
Dieser Beitrag basiert auf der Veröffentlichung „Aerosol-Expositionen beim Versprühen und Verschäumen von Reinigungsmitteln unter standardisierten Bedingungen“ in der Zeitschrift Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 82 (2022) Nr. 9-10, S. 261-267. Einzelheiten zur Versuchsdurchführung sowie eine detaillierte Auswertung können dort nachgelesen werden.
Autoren: Dr. Uwe Musanke, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hauptabteilung Prävention, Referat GISBAU und Dr. Thorsten Reinecke, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hauptabteilung Prävention, Referat Gefahrstoffe – Biostoffe
Hinweis der Autoren:
Danksagung
Wir bedanken uns bei den beteiligten Reinigungsmittelherstellern - Mitgliedsfirmen des Industrieverbands Hygiene und Oberflächenschutz IHO - für die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung bei der Durchführung der Versuche in ihren Technikumsräumen.